Wenn Frauen alleine reisen: Testosteron im Gepäck

Testosteron im Gepäck

Manchmal hätte ich gerne mehr Testosteron im Gepäck. Klingt erstmal komisch, ich erkläre Euch, was ich meine: Immer wieder stelle ich fest, dass Steffi und ich einen Hang haben, Herausforderungen ausführlichst zu durchdenken. Statt es einfach zu tun. Etwa im Gelände: bis wir uns entschieden haben, ob wir das vor uns liegende Flüsschen durchqueren, ist schnell eine Stunde intensiver Beleuchtung aller Eventualitäten rum. Oft kommen wir zu dem Schluss, dass wir doch lieber abdrehen und einen anderen Weg suchen. Anders ist das, wenn wir mit männlicher Begleitung ins Gelände starten. Abgesehen davon, dass man prinzipiell mit zwei Autos entspannter unterwegs ist, beobachte ich, dass Männer sich deutlich mutiger in den Fluss stürzen, mit einer großen Portion Vertrauen, dass es schon irgendwie klappen wird. Will heißen, wo Frau noch am Flussufer überlegt, wirft Mann schon im Camp den Grill an.

Aus diesem Bedürfnis des Planens und Denkens heraus, macht Frau sicherheitshalber erstmal einen Kurs: etwa ein Fahrertraining in Jänschwalde. Hier wollten wir uns mutig festfahren – zum Üben – aber die Vorsicht, die ja bekanntlich Mutter der Porzellankiste ist, hatte uns fest im Griff. Zu groß der innere Antrieb, umsichtig zu fahren, damit man gar nicht erst in Not gerät. Doch die Ursache liegt nicht in unserer weiblichen Psyche allein, sondern vielmehr in unserer körperlichen Konstitution. Das wurde mir bei besagtem Fahrertraining klar: Zu Übungszwecken lag ein umgekipptes Autowrack auf der Seite und sollte wieder aufgerichtet werden. Gar keine große Sache. In 30 Sekunden stand der Wagen wieder. Zumindest als die Männer zupackten. Dann kam von irgendwo her der Wunsch, dass es auch die Frauen versuchen wollen. Uns ist es zu neunt nicht gelungen, den Wagen aufzurichten, obwohl es vier Männer im Handumdrehen erledigt hatten.

Vielleicht macht also der Versuch, ein Festfahren durch Denken zu vermeiden Sinn. Wahrscheinlich fehlt uns die Kraft, uns alleine zu befreien. Zumindest können wir das ein oder andere Equipment kräftemäßig einfach nicht bedienen und prüfen deshalb nun sehr genau, was auf die Ausrüstungsliste kommt. So haben wir zum Beispiel den High-Lift gestrichen, denn wenn ich Selbigen mit meinen 55 kg Lebendgewicht versuche, zu stemmen, trägt das vor allem zu Steffis Belustigung bei. Unterm Strich ist er uns beiden mit seinem Wumms unheimlich und einen Wagen damit zu bergen, trauen wir uns definitiv nicht zu.

Nach zwei Fahrertrainings und einem Schrauberkurs habe auch ich eingesehen, dass man nach ein paar Stunden Crashkurs weder routiniert durch den Kongo fahren, noch selbstständig einen Motor austauschen kann. Man kann sich also schlicht und ergreifend nicht auf alles vorbereiten. Außerdem hat Steffi mir verboten, noch mehr Geld für Kurse auszugeben…

Zuversichtlich macht mich in jedem Fall, dass wir ein prima Reiseteam sind. Bislang hat immer nur einer die Fassung verloren und dann übernimmt automatisch der andere die Führung. In schwierigen Situationen holen wir immer erstmal tief Luft und überlegen (aha!) bei Kaffee, Cola, Bier, Gummibärchen oder was man sonst so zur Beruhigung braucht, wie es weitergeht. Die bislang grösste Bewährungsprobe war sicherlich ein Buschfeuer im Kgalagadi Transfrontierpark in Südafrika, das uns den Weg zu unserer Unterkunft versperrt hat. Trotz Adrenalinschwemme, ließen wir uns nicht beirren: Steffi wendete heldenhaft den Wagen im tiefen Sand und fuhr wie der Teufel. Derweil suchte ich das nächstgelegene Camp, behielt das Feuer im Auge und sprach uns Mut zu. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass das eines der besten kalten Biere überhaupt war, das wir uns nach endloser Fahrt durch den finsteren Busch im Camp Mata Mata aufrissen.

Unser Fazit: das weibliche Zuviel an Überlegung und Planung ist unbedingt mit ausreichend Humor zu nehmen und entgegen dem inneren Antrieb mit Vertrauen aufzufüllen. Trotzdem gilt es, die Kräfte realistisch einzuschätzen und Hilfe dankbar anzunehmen, denn doppelt Östrogen macht noch kein Testosteron.

One Comment

  1. Oh ja, das Zu-Viel-Drüber-Nachdenken kenne ich. Besonders von meinem Mann, haha! Vielleicht könnt ihr euch ja diese beiden englischen Zitate ans Amaturenbrett kleben:
    The best way out is always through. (Robert Frost)
    Done is better than perfect. (April Bowles Olin)
    Gute Fahrt und einen freien Kopf weiterhin!

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