Big Daddy und Dead Vlei

Wir halten den Zeitpunkt des Wake-Up-Calls für einen namibischen Scherz. Leider nein. Der Scherz war, dass man uns erst nach dem zweiten Glas Wein gestand, dass Frühstück um 4.30 Uhr (!) serviert wird. Immerhin können wir Conay auf 5:30 Uhr hoch handeln, lassen uns aber von seiner Dünenerfahrung überzeugen. Nach seiner Insider-Einführung ist der Plan klar: „Don’t waste too much time along the way.“ Gut, Big Daddy, auch Crazy Dune genannt, wir kommen!

Ich bin sogar schon vor dem Wecker und dem Wake-Up-Call wach und springe aufgregt durchs Zimmer. Wir befolgen Conays Rat, rasen nach Sesriem, erwerben Permit für uns und das Auto und brettern Richtung 2×4-Parkplatz kurz vor dem Sossusvlei. Ich widerstehe der Versuchung, das morgentliche Schattenspiel der roten Dünen fotografieren zu müssen. Don’t waste time!

Also schaffen wir Langschläfer es bis kurz nach 8 am Parkplatz zu sein. Weiter geht es mit einem Allrad-Shuttle zum Parkplatz Sossusvlei.

Ein kurzer Blick auf die Big Mama, unser Entschluss steht fest. Wir wollen auf den Big Daddy und durch das Dead Vlei. Beim Anblick der über 300 m hohen Dünen beschließt eine britische Reisegruppe lieber gleich sitzen zu bleiben. Wir ziehen unsere Tropenhüte ins Gesicht und stapfen todesmutig los. Tatsächlich wird es schon am frühen vormittag recht heiß, deshalb planen wir unsere Route auf die hohe Düne sorgfältig, um unsere Ressourcen zu schonen. Im Eifer des Gefechts sucht sich Birgit eine wundervoll steile Abkürzung seitlich den Berg hoch. So entkommen wir zwar schneller dem Geschnatter der Touris und stehen auf dem Dünenkamm, ich jedoch bin schon völlig k.o.

Überraschenderweise ist es hier oben gar nicht so heiß, ein lauer Wind erfrischt uns, der Ausblick ist unbeschreiblich schön. Diese Stille, die Farben, die weichen Linien des Sandgebirges. Atemberaubend. Schritt für Schritt und Stufe für Stufe beginnen wir den Aufstieg. Die Erschütterung unserer Schritte lassen immer wieder kleine blaue Käfer aus ihren Behausungen aufschrecken und wütend entfliehen. Neidisch blicken wir den Geckos hinterher, die mit ihren flinken Füßen über den Sand flitzen.

Unsere Dünenwanderung ist anstrengender als erwartet, also halten wir in kurzen Abständen immer wieder inne und belohnen uns mit dem Ausblick. Unter uns erstreckt sich nun das gesamte Dead Vlei, eine schneeweiße Pfanne, gespickt mir schwarz-verkohlten Kameldornbäume. Sie sollen fast 900 Jahre alt sein. Die Menschen sehen aus wie Ameisen.

Wir suchen uns einen Punkt, bis zu dem wir es noch schaffen wollen. Endlich angekommen, wir haben etwa eine halbe Stunde durchgehalten, rasten wir rittlings auf dem Dünensattel, lassen die Beine links und rechts herunterbaumeln und genießen den Ausblick, an dem wir uns nicht sattsehen können.

In der Ferne auf dem Gipfel des Big Daddy erkennen wir zwei kleine Punkte. Die haben es also geschafft und haben freien Blick auf die White Mountains. Unsere Kräfte nicht überschätzend, machen wir uns lieber daran, seitlich ins Dead Vlei abzusteigen. Bis zu den Knöcheln versinken wir im Sand, haben aber einen Riesenspaß und sind trotzdem zufrieden mit unserer Anfängerleistung.

In der Senke des Dead Vlei, hier floß zuletzt vor 60.000 Jahren Wasser, ist es unvorstellbar heiß. Diese menschenverachende Ödnis ist dennoch beeindruckend schön. Hier soll Leben möglich sein? Ja, an vielen Stellen finden wir Fußspuren von Geckos, kleinen hüpfenden Lebenwesen. Auf dem Weg hatten wir sogar das Glück, unsere erste Oryx-Antilope unter einem Baum zu entdecken.

Ich will mich gar nicht losreißen von dem weiß-schwarz-blau-rotem Farbschauspiel. Nach über einer Stunde Wüstenwanderung erreichen wir erschöpft den Dead Vlei Parkplatz und können uns schnell ein Shuttle kapern. Völlig groggy und mit tonnenweise Sand in den Schuhen, erreichen wir müde und mindboggled unser Auto. Während mir die Augen zufallen, fährt uns Birgit tapfer zurück in die Lodge.

 Tiere: Springbok, Strauß, Oryx, Gecko, blaue Käfer

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